Laborausstattung
Kraftwerks- und Netzmodell
Allgemeines
Im Labor für „Elektrische Kraftwerke und Netze“ steht u. a. ein Drehstrom-Kraftwerks- und Netzmodell der Fa. Siemens zur Verfügung, das im Rahmen von Praktikumsversuchen, Projekt- und Abschlussarbeiten genutzt wird. Am Modell können kritische Betriebszustände untersucht werden, die in der Praxis unbedingt vermieden werden müssen wie z.B. Kurzschlüsse, Fehlsynchronisation oder das Außertrittfallen von Generatoren.
Bild 1: Derzeitiger Ausbauzustand des Kraftwerks- und Netzmodells
Kraftwerksnachbildungen
Das Modell wurde über einen Großgeräteantrag finanziert. Aus Kostengründen war in der ursprünglichen Ausführung allerdings nur eine Kraftwerkseinspeisung mit fremdgespeister Thyristorerregung vorgesehen. Ferner wurde zunächst auf den Generatorschutz und den UMZ-Schutz verzichtet. Im Laufe der Jahre wurde im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten sowie Projektarbeiten das Kraftwerks- und Netzmodell sukzessive erweitert. So wurde z.B. das Modell um eine zweite Kraftwerkseinspeisung erweitert. Abweichend zur ersten Kraftwerksnachbildung wurde hierbei ein bürstenloser Synchrongenerator mit rotierendem Gleichrichter gewählt. In beiden Fällen wird eine stromrichtergespeiste Gleichstrom-Antriebsmaschine als Turbinennachbildung eingesetzt. Um auf der einen Seite Hochlaufzeiten zu erhalten, die mit der Praxis vergleichbar sind und auf der anderen Seite auch bei kritischen Betriebszuständen wie z.B. bei einem Netzkurzschluss den Kurzschlussstrom mehrere Minuten gefahrlos führen zu können, wurden beide Generatoren überdimensioniert.
Bild 2: Maschinensätze der Kraftwerksnachbildungen
Rechts: Synchrongenerator in Innenpolbauweise
Links: Bürstenloser Synchrongenerator mit rotierendem Gleichrichter und direkt mit der Hauptwelle gekoppelten 16-poligen Erregermaschine in Außenpolbauweise
Für die Versorgung des Modellnetzes stehen aktuell zwei Kraftwerksnachbildungen bestehend aus Synchrongenerator und Maschinentransformator sowie eine Netzeinspeisung zur Verfügung. Das Parallelschalten der Synchrongeneratoren bzw. das Parallelschalten mit dem Netz konnte zunächst nur durch Handsynchronisation erfolgen. Im Hinblick auf eine praxisgerechte Synchronisation wurde das Modell inzwischen um ein digitales Parallelschaltgerät erweitert.
Die ursprünglich vorgesehenen 6 Automatisierungsgeräte Simatic S5 des Modells wurden im Rahmen einer weiteren Abschlussarbeit auf Simatic S7 umgerüstet.
Anlagenleitsystem
Die Betriebsüberwachung des Kraftwerks- und Netzmodells erfolgt über den Leitrechner mit dem Anlagenleitsystem WinCC. Es werden u.a. die aktuellen Schaltzustände der Schaltgeräte sowie die Messwerte der einzelnen Betriebsmittel dargestellt. Das Bedienen kann wahlweise in der Betriebsart "Fern" über den Leitrechner oder in der Betriebsart "Ort" direkt über die einzelnen Bedienelemente der Schaltschränke erfolgen. Bild 3 zeigt das Übersichtsbild der beiden Kraftwerksnachbildungen im Anlagenleitsystem.
Bild 3: Ausschnitt aus dem WinCC-Übersichtsbild des Anlagenleitsystems
Freileitungsnachbildungen
Als Freileitungsnachbildungen stehen Leitungsabschnitte von 3∙50 km und 3∙100 km für eine Originalspannung von 220 kV bzw. von 3∙4 km und 3∙8 km für eine Originalspannung von 20 kV zur Verfügung. Im Leitungsmodell sind Widerstände, Spulen und Kondensatoren derart miteinander verschaltet, dass das Modell das gleiche elektrische Verhalten aufweist wie die Original-Freileitung. Bei Umschaltung der Spannungsebene von 20 kV auf 220 kV bzw. umgekehrt werden die entsprechenden Widerstände, Spulen und Kondensatoren automatisch angepasst. Die Modellnennspannung beträgt in beiden Fällen 220 V Außenleiterspannung. Um am Netzmodell auch die Reduzierung von Übertragungsverlusten untersuchen zu können, wurde an einem der Freileitungsmodelle die Umschaltmöglichkeit auf unterschiedliche R/X-Werte nachträglich vorgesehen.
Regeltransformator
Der ursprünglich nur als Querregler vorgesehene Regeltransformator wurde inzwischen derart umgerüstet, sodass wahlweise eine Verschaltung als Längs-, Quer- oder Schrägregler möglich ist. Auf diese Weise kann beim Parallelbetrieb von Leitungen mit unterschiedlichem R/X-Verhältnis eine Minimierung der Übertragungsverluste durch Einsatz eines geeigneten 8-stufigen Regeltransformators erzielt werden.
Bild 4: Regeltransformator wahlweise als Längs-, Quer- oder Schrägregler verschaltbar
Netzeinspeisung
Die Netzeinspeisung erfolgt über einen Netztransformator mit Stufenschalter (25 Stufen). Über den Stufenschalter kann die Transformatorübersetzung unterbrechungsfrei geändert werden, um die Spannungshaltung im gewünschten Toleranzbereich zu garantieren. Zur manuellen Vorwahl der Transformatorstufenstellung als auch zur automatischen Netzspannungsregelung ist ein Automatisierungsgerät Simatic S7 vorgesehen. Der Sternpunkt des Netztransformators kann wahlweise „starr“ für das 220 kV-Modellnetz, „isoliert“ oder „gelöscht“ für das 20 kV-Netz ausgeführt werden. Die Erdschlusslöschspule in Doppeltauchkernausführung war ursprünglich nur manuell verstellbar. Im Rahmen einer Abschlussarbeit wurde eine motorische Verstellung der Tauchkernspule realisiert. Zur Steuerung ist eine Simatic S7 vorgesehen, mit der eine optimale Abstimmung der Erdschlusslöschspule auf die Netzerdkapazität ermöglicht wird.
Bild 5: Netztransformator mit Stufenschalter und Erdschlusslöschspule mit Doppeltauchkern
Schaltanlagen
Zur Nachbildung der Schaltanlagen stehen 3 Doppel-Sammelschienensysteme einschließlich Kuppelfeld zur Verfügung.
NetzschutzDer Netzschutz umfasst z.B. 2 digitale Distanzschutzgeräte, 2 Leitungsdifferenzialschutzgeräte,
1 Transformatordifferenzialschutzgerät sowie 3 digitale UMZ-Schutzgeräte.
Generatorschutz
Der Generatorschutz wurde im Rahmen einer Vielzahl von Abschlussarbeiten stetig erweitert und umfasst derzeit
- UMZ-Schutz,
- Blockdifferenzialschutz,
- Rückleistungsschutz,
- Untererregungsschutz,
- 90 %-Ständererdschlussschutz,
- 100 %-Ständererdschlussschutz mit 20 Hz-Generator,
- Läufererdschlussschutz und
- Schieflastschutz.
Sowohl für den Maschinen- als auch den Netzschutz im Kraftwerks- und Netzmodell wurden die gleichen Schutzgeräte verwendet, wie sie im Original zum Einsatz kommen.
Bild 6: Vollständiger Generatorschutz
Windkraft-Modellanlage
Neben dem Kraftwerks- und Netzmodell stehen im Labor noch weitere Versuchsstände zur Verfügung wie z.B. das Modell einer ausgeführten Windkraftanlage mit doppelt gespeistem Asynchrongenerator. Die Nachbildung der Windturbine erfolgt über einen Servomotor, der direkt mit dem Asynchrongenerator gekuppelt ist. Über den PC können dann unterschiedliche Windgeschwindigkeiten vorgegeben werden. Im vorliegenden Fall wird ein Asynchrongenerator mit Schleifringläufer eingesetzt, dessen Läufer über einen Frequenzumrichter mit dem Drehstromnetz gekuppelt ist, während der Ständer direkt in das Netz einspeisen kann. Auf diese Weise wird eine Entkopplung der Windrotordrehzahl von der Netzfrequenz ermöglicht.
Bild 7: Windkraft-Modellanlage mit doppelt gespeistem Asynchrongenerator
Modell einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
Bild 8 zeigt in der mittleren Etage des Schienensystems das Modell einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung bestehend aus 2 selbstgeführten Umrichterstationen und einer Gleichstrom-Freileitungsnachbildung. Der Energiefluss auf der Gleichstrom-Freileitungsnachbildung kann dabei wahlweise in beide Richtungen erfolgen. Das Bedienen und Beobachten der Anlage erfolgt über einen PC.
Bild 8: Selbstgeführte HGÜ-Modellanlage
Photovoltaik-Modellanlage für den Netzparallelbetrieb
Die PV-Modellanlage besteht im Einzelnen aus einem 3-phasigen transformatorlosen Netz-Wechselrichter sowie einer Solarfeldnachbildung. Über einen PC können die Kennlinien und charakteristischen Kenngrößen der Solarmodule konfiguriert und anschließend auf die Solarfeldnachbildung übertragen werden. Darüber hinaus können unterschiedliche Bestrahlungsstärken sowie Teilverschattungen über den PC vorgegeben werden. Der aktuelle Arbeitspunkt der PV-Modellanlage sowie die jeweiligen Kennlinien werden auf dem Monitor dargestellt.
Bild 9: PV-Modellanlage für den Netzparallelbetrieb